Aus dem Nähkästchen geplaudert: Martha Reif erzählt von ihrer Kindheit in der Nachkriegszeit in Ziemetshausen
Bericht über den Vortrag am 21. Mai 2025 im Weberstüble von Bea Spengler
Gespannt lauscht ein bunt gemischtes Publikum in der Weberei in Ziemetshausen Martha Reif, die 1946 geboren wurde und ihre Zuhörer auf eine Reise in die Vergangenheit mitnimmt. Eine Zeit, in der die meisten Leute „arm, aber zufrieden“ und froh waren, den Krieg überlebt zu haben.
Während heute Kinder oft mit Geschenkbergen überschüttet werden, spielten die kleine Martha und ihre Freunde in der Nachkriegszeit mit Alltagsgegenständen, baute Türmchen aus Fadenspulen und freuten sich an Weihnachten über ein selbst genähtes Kleid für die Puppe oder einen Zug aus Holz. Das erste Mal, dass Martha Reif das Ausmaß des Krieges als Kind wirklich bewusst wurde war, als sie sich auf dem Weg zu einer Hochzeit in Augsburg mitten zwischen zerbombten Häusern und Trümmerhaufen wiederfand und sich panisch weigerte, dort auszusteigen. Den Krieg selbst hat sie nicht erlebt, doch weiß von Freunden, dass an dem Tag, als Augsburg zerbombt wurde, der Schnee sogar in Ziemetshausen noch schwarz war. Der Markt Ziemetshausen hat den Krieg nahezu unbeschadet überstanden, nur ein paar Bombentrichter im Ziemetshauser Wald sind stille Zeugen von einem Flieger des 2. Weltkriegs, der seine Bomben abwerfen musste. Auch die Lindenallee Richtung Maria Vesperbild erinnerte durch zwei malträtierte Bäume noch lange an das Kriegsende. Am Göppelberg warteten 1945 die Amerikaner darauf, dass sich die Ziemetshauser ergaben. Da diese jedoch nicht schnell genug mit der weißen Fahne kam, schossen die Amerikaner auf die Linden.
Martha Reif zeigt Bilder von ihrer Kindheit und ein Sparbuch dessen letzter Eintrag „Verbraucht durch Kopfgeld“ lautete. Nach der Währungsreform 1948 war mühevoll Erspartes nichts mehr wert und jeder bekam ein „Kopfgeld“ als Startkapital. Lebensmittelkarten und Rationierungen bestimmten den Alltag, doch auf dem Land wusste man sich zu helfen. Man baute selbst an und verwertete fast alles. Müll gab es kaum, daher brauchte man auch keine Müllabfuhr. Im Laden gab es das meiste unverpackt, das Bier holte man in einem Krug ab und wer etwas kühl lagern wollte, musste zur gemeinschaftlichen Gefriertruhe gehen, die gegenüber vom Rathaus war. Hatte man keine Blech-Wärmflasche, wärmte man Ziegelsteine und Dachplatten auf dem Ofen, schlug sie in ein Tuch ein und legte sie im Winter ins Bett gegen die Kälte.
In die Schule ging es erst nach der Frühmesse mit Griffel, Tafel und einem Griebenschmalz Brot in der Ledertasche ausgerüstet. Die Schürze, die ordentlich über dem Kleid getragen wurde, mochte die keine Martha überhaupt nicht und stopfte sie, sobald sie außer Sichtweite der Mutter war, schnell in die Schultasche. Eisig war es im Winter in der Schule, daher gab es extra einen „Schürdienst“ unter den Schülern, der für das Holz und Kohle holen zuständig war. Von warmen Hosen konnten die meisten Mädels in Ziemetshausen in der Nachkriegszeit nur träumen. Wer es wagte, statt Rock oder Kleid eine „Bumpelhose“ anzuziehen, musste damit rechnen, dass der Pfarrer sie im Unterricht an den Haaren zog und als „Flintenweib“ beschimpfte. Tatzen, Hosenspanner und Ohren umdrehen waren gängige Erziehungsmaßnamen. Trotzdem hat Martha Reif die Schulzeit im Großen und Ganzen positiv in Erinnerung. Vor allem die Ausflüge: Schwimmen in der Zusam, Schlitten fahren und die Wandertage zur Mittelburg.
Martha Reifs Erzählungen sind ein eindrucksvolles Zeugnis ihrer Kindheit in der Nachkriegszeit, geprägt von Entbehrungen, Kreativität und starkem Gemeinschaftsgefühl. Sie erinnert uns daran, wie wichtig es ist, die kleinen Dinge zu schätzen.